TUMJA Alumna Juliane Hafermann
im Gespräch mit Deniz Bezgin
Juliane Hafermann ist Alumna des ersten Jahrgangs der TUM: Junge Akademie in den Jahren 2010/2011 im Projekt Müll als Ressource und war anschließend Tutorin.
Nach ihrem Studium der Molekularen Biotechnologie an der TUM promovierte Juliane im Deutschen Krebsforschungszentrum in Biologie.
Aktuell ist sie als Unternehmensberaterin tätig.
Deniz Bezgin (geb. 1994) hat Maschinenwesen und Luft- und Raumfahrt an der TUM und am Georgia Institute of Technology studiert. Seit 2019 promoviert er im Maschinenwesen (TUM) und kombiniert numerische Methoden für partielle Differentialgleichungen mit maschinellem Lernen. Im TUMJA Team „Exfluenced“ beschäftigt er sich mit den gesellschaftlichen und individuellen Auswirkungen von Social Media Konsum.
Deniz Bezgin (DB): Liebe Juliane, kannst du dich kurz vorstellen? Was treibt dich an?
Dr. Juliane Hafermann (JH): Ich bin Juliane und habe ursprünglich Molekulare Biotechnologie an der TUM im Bachelor und Master studiert, anschließend habe ich im Deutschen Krebsforschungszentrum in Biologie promoviert. Dann habe ich entschieden, die akademische Forschung zu verlassen und bin heute als Unternehmensberaterin tätig. Mein Antrieb ist die Neugierde, die Suche nach Herausforderungen, und das Bedürfnis, mit einem Schuss Workaholismus einen kleinen Beitrag dazu zu erbringen, dass die Welt besser wird.
DB: Das ist genau das Stichwort für die nächste Frage: Wovon braucht unsere Welt mehr?
JH: Gerechtigkeit! Nicht in dem Sinne, dass ich hier als Richterin Recht spreche, sondern im Sinne von z. B. der zunehmenden Größe der Schere zwischen Armen und Reichen. Es kann nicht sein, dass einzelne Personen Geldsummen mit so unvorstellbar vielen Nullen ihr eigen nennen können, und es andererseits Leute im gleichen Land gibt, die nicht ausreichend bezahlt werden, so dass sie nicht von ihrem Job leben können.
DB: Hast du ein Vorbild, das dich in deiner Haltung zu den sozialen Aspekten antreibt?
JH: Nein, ich habe kein solches Vorbild, aber bei vielen Personen gibt es Aspekte oder Tätigkeiten, die mich inspirieren und die ich gut finde. Allerdings gibt es immer zwei Seiten der Medaille.
DB: Wenn du zurückblickst, auf deine Tätigkeit als Unternehmensberaterin nach deinem Aufenthalt im Deutschen Krebsforschungszentrum während der Promotion, welche persönliche Fähigkeiten haben dir am meisten geholfen?
JH: Ich verfüge über eine schnelle Auffassungsgabe, die mir immer wahnsinnig gut und in allen Lebenslagen geholfen hat. Darüber hinaus ist ein Talent für Organisation und Koordination sicher wichtig, ich würde es fast als Ordnungsfimmel bezeichnen, was mir dabei hilft, Struktur in mein Leben zu bringen. Ich verschaffe mir dadurch einen Plan und behalte den Überblick. Meine Art im Umgang mit Menschen ist, dass ich anstrebe, mit 99% aller Menschen in meinem Umfeld zurechtzukommen. Ich behaupte nicht, dass ich dann alle 99% Menschen mag, ich bin sicher, dass das auch nicht geht. Aber selbst wenn ich jemanden nicht mag, kann ich mit der Person arbeiten, kann ich mit ihr auskommen und vertrage ich mich mit ihr.
DB: Angenommen, Ungeduld wäre eine deiner Schwächen: kannst du dennoch mit dieser Schwäche arbeiten bzw. wie gehst du damit um?
JH: Jeder Mensch hat Schwächen. Wie ich vorhin bei den Vorbildern schon gesagt hatte: jeder und jede hat gute und nicht so gute Seiten. Eine meiner Schwächen ist tatsächlich und definitiv Ungeduld. Aber nicht die Ungeduld im Allgemeinen, sondern diejenige, wenn ich ein Prinzip oder irgendwas Anderes verstanden und verinnerlicht habe, es dann aber trotzdem nicht gleich umsetzen kann oder anwenden darf.
Bei einer anderen meiner Schwächen geht es um das Organisations- und Koordinationstalent. Dies kommt vor allem daher, da ich eher eine relativ forsche Persönlichkeit bin. Ich sammle gerne einfach Verantwortung links und rechts auf, wo ich sie finden kann, und ich gebe es nicht wieder her.
DB: Der nächste Themenblock in unserem Gespräch dreht sich um deinen Karriereweg, der nicht nur für unsere aktiven Mitglieder in der TUM: Junge Akademie von Interesse ist: Du hast dich nach dem Studium für eine Promotion entschieden. Kannst du uns erläutern, wie du zu diesem Weg gekommen bist?
JH: Im Studium, gerade während des Masters, bestand die Möglichkeit, bestimmte Schwerpunkte in den Fächern auszuwählen. Mir war immer klar, dass ich etwas in Richtung Krebs und Krebsforschung machen möchte. Unter den biologischen Krankheiten ist Krebs besonders faszinierend, weil es aus den Menschen selber herauskommt, weshalb es auch schwierig zu behandeln ist. Das erste, was sich somit anbietet, ist zu promovieren, auch weil ich immer von Neugierde getrieben bin. Ebenfalls wollte ich mit meiner Forschung etwas Gutes für die Allgemeinheit tun. Zuerst habe ich das Thema für die Promotion überlegt und hatte das große Glück, dass ich, entsprechend meines ersten Wunsches, im Deutschen Krebsforschungszentrum direkt eine Stelle gefunden und bekommen habe. Das ist die erste Anlaufstelle in Deutschland, wenn es um Krebsforschung geht, und ich konnte dort dann meine Promotion erfolgreich abschließen.
Während dieser Zeit habe ich sehr viel gelernt, nicht nur über Krebsforschung, sondern auch die unterschiedlichsten Softskills, zum Beispiel habe ich einmal eine Konferenz organisieren dürfen und mich auch anderweitig zusätzlich engagiert. Nach vier Forschungsjahren habe ich dann festgestellt, dass die von mir erarbeiteten Erkenntnisse sehr winzig in diesem sehr spezialisierten Bereich sind, dass sie nicht wirklich irgendjemandem tatsächlich helfen werden. Deswegen habe ich mich entschlossen, mich aus dem akademischen Leben zu verabschieden und habe mich entschlossen, etwas außerhalb des akademischen Lebens zu machen.
Ich bin dabei zufälligerweise auf den Beruf der Unternehmensberatung gestoßen; fand ihn aber sehr sympathisch, weil er viele verschiedene Herausforderungen anbietet, ich viele Kontakte knüpfen kann; meine Stärken wie Kommunikation mit Leuten und das Organisationstalent sehr stark einbringen kann. Im Beruf der Unternehmensberatung lerne ich diverse unterschiedliche Unternehmenskulturen, Unternehmen, Leute, und unterschiedlichste Projekte mit verschiedensten Herausforderungen kennen. Unter anderen, solange es kein Corona gibt, ist es auch mit Reisetätigkeiten verbunden. Ich kann immer etwas bewegen: für die Leute, die ich unterstütze und berate. Man merkt auch unmittelbar, wenn das Projekt wirklich schiefgeht. Unter anderem berate ich großes Pharmaunternehmen. Wenn wir das z.B. nicht rechtzeitig fertigmachen, oder wenn da etwas schiefläuft, dann würde die gesamte Produktion in Deutschland von diesem Pharmaunternehmen stillstehen. Das ist einerseits eine große Verantwortung, ein großer Druck, aber andererseits kann ich etwas bewegen und sinnvolle Beiträge leisten.
DB: Ist es aber immer noch eine Perspektive für dich zurück in die Wissenschaft zu gehen, oder ist das ein Kapitel, das du abgeschlossen hast?
JH: Ich glaube, im Herzen verabschiedet man sich nie von der Wissenschaft, nachdem du eine Doktorarbeit gemacht hast und wenn eine gewisse Liebe zu der Forschung in der Wissenschaft besteht. In meiner Tätigkeit als Unternehmensberaterin bin ich davon auch nicht ganz weg. Zwar gibt es keine Experimente mehr, aber gerade in meinem nächsten Job bin ich definitiv noch wissenschaftlich tätig. Ich werde weiterhin wissenschaftliche Papers, Manuskripte und Abstracts schreiben, Konferenzen besuchen, Datenauswertungen machen, und vieles mehr. Das hat ganz sicher mit Wissenschaft zu tun, nur nicht in der klassischen Weise, wie z.B. Laborarbeit. Das zeigt auch, dass was man als Wissenschaftler während einer Doktorarbeit oder im Studium gelernt hat, viel breiter anwendbar ist, als man auch auf dem ersten Einblick selber vermutet. Ich habe, nachdem ich den akademischen Bereich verlassen habe, herausgefunden, wie viele transferable skills ich mir tatsächlich angeeignet habe.
DB: Du hast gerade den Punkt Forschung im industriellen Kontext erwähnt. Kannst du aus deiner Perspektive Unterschiede zur universitären Forschung sehen?
JH: Ich habe auch Erfahrungen in der Forschung im industriellen Kontext gesammelt. Das war allerdings während meines Studiums. Für mich war auffällig, dass man weniger frei in der eigentlichen Tätigkeit als Forscher ist. Im akademischen Bereich kannst du das erforschen, was du willst, solange finanzielle Förderung erfolgreich eingeworben werden kann. In der Industrie ist das deutlich zielgetriebener. Du hast ein Ziel, auf das du hinarbeitet. Es passiert häufig in der Industrie, dass Projekte einfach gecancelt werden, wenn sie nicht Erfolg versprechend genug aussehen. Wenn man aber im akademischen Bereich forschen würde, findet man vielleicht doch noch etwas Interessantes. In der Industrie sind die Deadlines härter als im akademischen Bereich gesetzt. Ich vermute, dass dies auch im akademischen Bereich in Zukunft zurückkehren wird, aber man hat dann immer noch ein breiteres Feld, an dem man vom Anfang bis zum Ende arbeitet, während es in der Industrie Expertenteams gibt, die sich nur mit spezialisierten Aufgaben beschäftigen. Einen weiteren wichtigen Unterschied gibt es noch: Im industriellen Bereich hat man weit mehr Kapazitäten und Ressourcen.
DB: Gerade die Forschung ist ja ein sehr internationales und globales Feld. Wie würdest du internationale Erfahrungen während der Promotionsphase und im Berufsleben in der Wirtschaft einschätzen? Ist es was Essentielles oder etwas Optionales?
JH: Wenn man in der Wissenschaft tätig ist, verliert man erfahrungsgemäß nie die internationalen Kontakte, oft ergeben sich diese bei internationalen Konferenzen. Im Job kommt es darauf an, was man tatsächlich macht. In meiner aktuellen Tätigkeit erlebe ich ein bisschen Internationalität, dies vor dem Hintergrund, dass ich internationale Pharmaunternehmen berate, allerdings nur am deutschen Unternehmenssitz. Somit habe ich eher „second-hand“ internationale Kontakte, da der Fokus meine derzeitige Tätigkeit auf Deutschland liegt. Meine zukünftige Tätigkeit wird deutlich internationaler, ich werde dabei direkt mit internationalen Kunden zusammenarbeiten.
DB: Gehen wir zum nächsten Themenblock, das sind Fragen zur Jungen Akademie: Gibt es Momente aus deiner aktiven Zeit in der TUM: Junge Akademie, an die du am liebsten zurückgehen möchtest?
JH: Ich erinnere mich lustigerweise sehr gerne an die Auswahltage. Da mussten wir Rollenspielen machen. Wir waren eine Runde Leute, die sich normalerweise nicht getroffen hätten, da wir aus unterschiedlichen Fächern stammten. Das war spannend. Die andere Sache, an die ich mich gerne erinnere, waren die Abschlussveranstaltung meines Jahrgangs, die die Jahresfeier des Programms darstellte. Wir haben unerwartet mit unseren Projekten einen Preis gewonnen. Es war mir eine wertvolle Erfahrung, in einem interdisziplinären Team zu arbeiten, vor allen Dingen mit der Erkenntnis, wie schwierig es sein kann, miteinander zu kommunizieren und Begriffe, die in verschiedenen Disziplinen unterschiedlich genutzt werden, zu verstehen, da diese unterschiedlich definiert sind. Das fand ich eine wichtige Erfahrung in der Jungen Akademie.
DB: Letztes Jahr wurde die TUM: Junge Akademie 10 Jahre alt. Wie siehst du die Junge Akademie in der Zukunft?
JH: Was ich schön finde, ist die Entwicklung. Ich war damals im zweiten Jahrgang mit dabei und habe seither gesehen, wie sich das Ganze seitdem entwickelt hat - was verbessert wurde, hinzugekommen ist, und auch was weggelassen wurde. Ich bin jedes Mal beeindruckt, was da Neues passiert, welche Angebote es gibt, welche Veranstaltungen da gemacht werden. Mit Blick auf die Zukunft bin ich mir sicher, dass immer neue Sachen dazukommen, die das gesamte Angebot noch besser machen werden.
DB: Du engagierst dich auch, als Mentorin innerhalb der TUM: Junge Akademie. Was treibt dich dabei an und wieso machst du das?
JH: Ich möchte zum einen zurückverweisen auf meine Antwort ganz am Anfang; also die menschliche Verantwortlichkeit. Der Hauptgrund des Antriebs ist, dass ich fühle, schon einiges gelernt zu haben, aber noch sehr viel zu lernen habe. Das, was ich gelernt habe, möchte ich gerne auch weitergeben. Ich möchte anderen Leuten helfen, sie bei ihren Entscheidungen unterstützen und meine Erfahrung zur Verfügung stellen. Das ist das eine. Das andere ist, das eine Mentorenschaft niemals eine einseitige Sache ist, weil ich als Mentorin auch selbst immer etwas lerne. Man lernt Führungsfähigkeiten und andere Softskills. Man lernt auch, wie man den anderen hilft, selbst eine Lösung zu finden. Es ist immer ein Geben und Nehmen. Wenn beide dabei lernen, dann ist es gut.
DB: Welche sind die wichtigsten Grundregeln, damit ein Mentoring erfolgreich klappt?
JH: Ich behaupte, am Wichtigsten ist der gegenseitige Respekt. Es funktioniert nicht effizient, wenn nur einer sehr viel spricht und der andere nur zuhört. Zielführend ist es, wenn beide Willens sind, wirklich Arbeit und Zeit zu investieren und auch die Arbeit und Zeit des anderen zu respektieren. Ich hatte sehr gute Erfahrungen damit gemacht. Das andere ist die gute Kommunikation. Ich muss den Leuten zuhören können, um sie zu verstehen. Und ich muss auch meine Inhalte so vermitteln können, dass mein gegenüber sie versteht und annehmen kann.
DB: Im kommenden Monat startet der dritte Jahrgang des internen Mentoringprogramms der TUM: Junge Akademie, der diesmal sehr wahrscheinlich vor allem online stattfinden wird. Was möchtest du den potentiellen Mentees mitgeben?
JH: Online hat schon vorher sehr gut funktioniert. Was möchte ich mitgeben? Traut euch, überlegt euch Sachen und Themen, die ihr wissen und über die ihr sprechen wollt; und fragt nach den Erfahrungen und Einschätzungen, aber habt auch keine Angst davor, euch eigene Meinung zu bilden.
DB: Super Juliane, vielen Dank für die interessante halbe Stunde!