TUMJA Alumna Natalie Eisenhut
im Gespräch mit Aastha Chandiwala und Seong-Min Jun
Natalie Eisenhut ist TUMJA Alumna des Jahrgangs 2014/15. Sie hat ihr Bachelor- und Masterstudium in Information Systems und Computer Science an der TU München absolviert. Seit 2017 arbeitet sie bei Celonis, aktuell als Director Ecosystem Solutions & Success.
Aastha Chandiwala (geb. 1999) studiert Elektro- und Informationstechnik an der TUM im ersten Mastersemester mit Schwerpunkt Bioengineering. Zuvor hat sie ihr Bachelorstudium, ebenfalls an der TUM, erfolgreich abgeschlossen. Sie ist Stipendiatin der TUMJA #class22 und engagiert sich in der Taskforce Symposium.
Seong-Min Jun (geb. 2001) studiert Wirtschaftsinformatik an der TUM. Er absolviert momentan in seinem 5. Bachelorsemester ein Auslandssemester in Stockholm. Neben seinem Studium war er in der Softwareentwicklung tätig. Er ist Stipendiat der TUMJA #class22 und engagiert sich in der Taskforce Marketing. Das Projekt „Virulent Information“ (VINFO) vergleicht die sprachlichen Unterschiede in der Berichterstattung über Covid-19.
Aastha: Vielen Dank, Natalie, dass du dir heute die Zeit für dieses Gespräch genommen hast. Kannst du dich zu Beginn kurz vorstellen?
Natalie: Sehr gerne. Ich freue mich sehr über die Einladung, um mich hier mit euch auszutauschen. Mein Name ist Natalie Eisenhut, ich bin 30 Jahre alt und komme aus München. Aktuell arbeite ich bei Celonis, wie auch schon die letzten fünf Jahre. Ich habe dort meine bisherige Karriere verbracht, nachdem ich an der TUM Wirtschaftsinformatik und Informatik studiert habe. Anschließend habe ich verschiedene Rollen während des Wachstums bei Celonis übernommen; vom Solution Engineering bis hin zum Ecosystem Consulting, wo ich ein globales Team von Technical and Value Consultants führe und wir sowohl Geschäftsprozesse als auch die Beratungsindustrie revolutionieren.
Aastha: Abseits deiner Arbeit, was sind deine Interessen? Was machst du zum Beispiel gerne in deiner Freizeit zum Entspannen?
Natalie: Ich bin wahnsinnig gerne in der Natur beim Wandern - gerne auch im Hochgebirge. Neulich war ich zum Beispiel auf der Zugspitze. Ansonsten gehe ich gern Skifahren und Tauchen. Im Stadtleben bin ich sehr gerne beim Tanzen. Ich tanze Salsa und Bachata. Es wird also nicht langweilig *lacht*
Aastha: Wir haben gehört, dass du an der TUM in der Jazzband warst. Ist Musik und Jazz immer noch ein Hobby von dir und welches Instrument hast du damals gespielt?
Natalie: Das ist in der Tat lange her *lacht*. Ich habe Querflöte gespielt, auch schon während meiner Schulzeit, damals noch im Orchester. Und da ich immer gerne in einer Gruppe musiziert habe, hat sich das dann angeboten. In der Jazzband an der TUM bin ich über Freunde gelandet und da haben wir alles durch die Bank gespielt, von Märschen über Jazz bis hin zu Swing. Das war eine coole Zeit. Musik ist mein anderer Ausgleich neben dem Sport.
Seong-Min: Als wir uns in Vorbereitung auf das Gespräch deinen Werdegang angesehen haben, waren wir sehr beeindruckt davon, dass du nach deinem Master-Abschluss innerhalb von vier Jahren von einer Junior Analyst Position zu deiner Stelle als Director Ecosystem Solutions & Success aufgestiegen bist. Erstaunt dich das rückblickend selbst?
Natalie: Manchmal, wenn ich zurückblicke, denke ich mir schon ‚okay, krass‘. Ich hätte nicht gedacht, dass man so viele Stationen innerhalb dieser kurzen Zeit durchlaufen kann. Ich hatte auch nie spezifisch darauf abgezielt. Ich glaube, ich hatte einfach Glück mit meiner ersten Berufswahl, dem Solution Engineering, das mir sehr gut gelegen hat. Dort konnte ich alle meine Stärken miteinander verbinden: von dem technischen Hintergrund, über die Wirtschaftsseite, aber natürlich auch das Soziale, das Sales Mindset usw. Das hat mir einen guten Start ermöglicht und unheimlich gute Grundlagen gelegt.
Zusätzlich glaube ich, dass der Schlüssel zum schnellen Wachstum und zur schnellen Weiterentwicklung ist, in Bereiche zu gehen, in denen auch viel Wachstum stattfindet. Ein Beispiel dafür war mein Schritt, nach Japan zu reisen und dort das Team für Celonis aufzubauen. Das war eine super Grundlage, um anschließend in die Teamführung einzusteigen. Danach habe ich mir die nächste aufregende Mission gesucht. Aber ich bin selbst überrascht, wie schnell das gehen kann.
Seong-Min: Sowohl dein Studium als auch dein Beruf sind von Interdisziplinarität, insbesondere Informatik und Wirtschaft, geprägt. Wie genau macht sich das in deinem Arbeitsalltag bemerkbar? Wann kannst und musst du beide Disziplinen miteinander vereinen?
Natalie: Grundsätzlich habe ich immer gemerkt, dass ich eine absolute Generalistin bin. Ich hatte zunächst Informatik für mich entdeckt, aber nach einem Jahr Studium festgestellt, dass es mir zu einseitig ist. Vielfältigkeit und unterschiedliche Arten zu denken fand ich immer faszinierend. Und ich wollte irgendeine Kombination mit Wirtschaft, deswegen habe ich anschließend mit Wirtschaftsinformatik begonnen. So gesehen hat sich Vielfalt als Linie durch mein Leben gezogen, egal, welche Position ich hatte. Wenn man eine Stelle im Aufbau mit noch wenig festen Strukturen in einer kleineren Firma hat, dann braucht man eine gewisse Bandbreite, da sie dir in jedem Bereich viel abverlangt. So hat sich meine Persönlichkeit auch mit der Arbeit gefügt - dahingehend welche Aufgaben ich übernommen habe und wie sich die Karriere weiterentwickelt hat.
Aastha: Du hast bereits erwähnt, dass du vor ein paar Jahren in Japan gearbeitet hast. Wie war die Umstellung auf diesen internationalen Arbeitsplatz für dich? Während deines Studiums warst du auch für ein Auslandssemester in Singapur. Hat dir diese Erfahrung bei der Umstellung geholfen?
Natalie: Ich glaube, jegliche Art von Auslandserfahrung hilft dabei, sich weiter zu entwickeln, indem man sich auf andere Situationen einstellen muss. Singapur war dafür eine gute Vorbereitung. Das Land ist sehr interkulturell und als Austauschstudierende begegnet man zusätzlich vielen anderen Kulturen. Auch beruflich hat es mir geholfen, die Position zu bekommen, da ich bereits internationale Erfahrungen mit der asiatischen Kultur vorweisen konnte. Denn gerade ein Land wie Japan verlangt viel kulturelles Bewusstsein und die Fähigkeit, sich auf sein Gegenüber einstellen zu können. Beispielsweise muss man einen Sales Pitch an die dortigen Gegebenheiten und Sprache anpassen können. Man muss feinfühlig vorgehen, einfach vorzupreschen funktioniert nicht.
Insgesamt glaube ich, ist die Kombination aus unterschiedlicher Auslandserfahrung und persönlichen Skills super wichtig. Zum Beispiel: Lasse ich mich gerne auf andere Leute ein? Habe ich ein kulturelles Bewusstsein? Beides war sehr wichtig, um in Japan erfolgreich zu sein. Gerade am Anfang stand viel Anpassungsarbeit an, um ein neues Team einzustellen, es zu motivieren und in die richtige Richtung zu bringen. All diese Aufgaben waren natürlich herausfordernd und haben viel kulturelles Bewusstsein von mir verlangt.
Aastha: Da du gerade schon über persönliche Skills gesprochen hast, welche Soft Skills sind deiner Erfahrung nach am wichtigsten, um erfolgreich zu sein? Nicht nur im beruflichen Kontext, sondern vielleicht auch in allen Lebensbereichen?
Natalie: Sehr gute Frage! Ich persönlich glaube, jeder hat einen anderen Weg, um erfolgreich zu sein. Es gibt unterschiedlichste Arten von Erfolg, je nachdem wie man Erfolg definiert und wie man dahin kommen möchte.
Für mich sind zwei Kernbereiche superwichtig. Der erste ist Vertrauen und Beziehungsaufbau. Also vertrauensvolle Beziehungen zu schaffen, in denen sich Mitmenschen trauen, Dinge anzusprechen, Feedback zu geben, man sich gegenseitig hilft und unterstützt. Denn: Fast keine Mission meistert man alleine. Ein Teamgefühl, starke persönliche Beziehungen und ein offener Umgang hat mir persönlich immer geholfen, egal ob beim Start in einem neuen Land oder als Solution Engineer, wo ich mich auf meine Kunden einstellen und verstehen muss, was will die Person gegenüber und wie muss ich die Software anpassen, um genau diese Erfolgskriterien zu erfüllen.
Der andere Bereich ist dedication - also Hingabe und ein unheimliches Durchhaltevermögen. Denn gefühlt wächst man am meisten aus schwierigen Zeiten, da gibt es häufig den größten Sprung. Man muss durchhalten können und die Willenskraft haben, nicht aufzugeben und sich wieder aufzurappeln, noch einen Versuch zu wagen und durch harte Zeiten durchzukommen. Dazu gehört auch manchmal die Disziplin ‚Nein‘ zu irgendwelchem Spaß zu sagen ... Feiern zu gehen, was auch immer… weil man andere Pläne hat. Nicht, dass ich keinen Spaß im Leben habe *lacht* Aber es kommt auf eine Balance an, manchmal gibt es eben auch härtere Phasen.
Aastha: Hattest du in deiner Kindheit Vorbilder, von denen du inspiriert wurdest?
Natalie: Ich muss gestehen, diese Frage konnte ich nie wirklich mit ‚Ja‘ beantworten. Am ehesten meine Mama, da ich es immer toll fand, dass sie es geschafft hat, für uns da zu sein und Familie, Beruf und Selbsterfüllung miteinander zu vereinbaren. Sie hat unheimlich viel Drive als Person. Ansonsten kann ich, gerade aus der Perspektive als Kind, niemanden konkret benennen. Ich habe immer irgendwie mein eigenes Ding gemacht.
Aastha: Wie bekommst du deine Work-Life-Balance hin? Hast du irgendwelche Tipps?
Natalie: Das ist etwas, an dem ich die letzten vier Jahre intensiv gearbeitet habe. Denn bei Celonis habe ich grundsätzlich viel Arbeit. Wenn man eine 35 Stunden/Woche erwartet, ist das nicht der richtige Job. Wir sind eine Hyper Growth Firma mit großen Ambitionen und viel Wachstumspotential. Generell glaube ich, ist es ein sehr wichtiges Thema, einen Job zu finden, der mit den eigenen Werten und Einstellungen übereinstimmt - denn manche Bedingungen kann man einfach nicht ändern. Zum Beispiel kannst du nicht im Consulting bei einer großen Consultingfirma arbeiten, ohne zu verreisen. Das passt einfach nicht zusammen.
Als zweites muss man sein Privatleben priorisieren. Je länger ich arbeite, umso mehr habe ich gemerkt, wie wichtig es ist, sich einen nachhaltigen Lebensstil aufzubauen. Ich frage mich jede Woche, ob ich das geschafft habe, was mir wichtig ist und ob ich was ändern muss. Mir ist wichtig Sport zu machen, Familie und Freunde in meinem Leben zu haben, neue Dinge zu lernen. Also brauche ich Raum dafür. Ansonsten habe ich auch keine Energie für meinen Job. Diese Dinge trage ich in den Kalender ein und nehme mir aktiv Zeit dafür. Das heißt auch, sich selbst zu hinterfragen, wenn man um 18 oder 19 Uhr noch am Schreibtisch sitzt. Da muss man sich harte Grenzen setzen und auch mal anders priorisieren. Was kann ich weglassen, welches Meeting weniger machen? Aber natürlich schwankt das auch mal von Woche zu Woche.
Seong-Min: Celonis hilft anderen Unternehmen dabei, ihre betrieblichen Abläufe im Überblick zu behalten und zu optimieren, auch indem Ressourcen eingespart werden oder der CO2-Fußabdruck verringert wird. Nicht nur im Hinblick auf Celonis, sondern allgemein auf die Branche: Was glaubst du, welche Rolle Technologie im Kampf gegen den Klimawandel spielt?
Natalie: Mit Technologie kann man auf jeden Fall einen großen Schritt gehen. Aber ich glaube, dass der Mensch noch eine viel größere Rolle im Kampf gegen den Klimawandel spielt. Wir müssen unheimlich viel Aufmerksamkeit für das Thema generieren. Zum einen natürlich für die Konsequenzen, aber zum anderen auch, wie man Dinge besser machen kann, was jeder dazu beitragen kann.
Zum Beispiel heizen die Leute aktuell viel weniger, einfach durch die Aufmerksamkeit dafür, dass die Speicher begrenzt sind und wir alle deswegen zurückstecken müssen. Ich finde es faszinierend, wie plötzlich alle zusammen helfen, wenn klar ist, warum man es tut. Deswegen ist der Mensch ein riesen Faktor für die Umstellung.
Dennoch kann sich auch durch die Industrie und entsprechende Regularien viel ändern. Hier muss ich daran denken, wie ich 2012 und drei Jahre später, 2015, in Thailand war. 2012 war alles voller Tuk-Tuks - eine unheimliche Umweltverschmutzung. 2015 waren es fast nur noch Taxis, was auch nicht ideal ist, aber schon eine kleine Verbesserung. Und wenn wir da, zum Beispiel, den Umstieg auf Elektromobilität hinbekommen, allein von öffentlichen Verkehrsmitteln, kann das schon auch ein großer Treiber sein.
Seong-Min: Du hast deinen Bachelor und Master an der TUM gemacht. Welche Erfahrungen aus der universitären Zeit haben dir am meisten geholfen, deinen Werdegang zu bestreiten und erfolgreich zu sein?
Natalie: Ich bin grundsätzlich eine zielorientierte Lernerin. Ich lerne gerne Dinge, um sie danach anzuwenden. Das war eine Sache, die mich am Studium frustriert hat und die ich im Arbeitsleben viel lieber mag, da ich jetzt diese direkte Übersetzung habe.
Was mir aber unheimlich viel geholfen hat, sind die vielen Einblicke in unterschiedliche Bereiche und Themen, die ich erhalten habe. Über ein gewisses Vokabular zu verfügen, das mir später geholfen hat, schnell an neuen Themen anzuknüpfen. Zum Beispiel war ich nach einer Vorlesung noch nicht super in SQL, konnte mir das aber schnell im Job aneignen, weil ich ein Grundverständnis davon aus der Uni hatte. Auch ein wichtiges Skill, was ich aus dieser Zeit mitgenommen habe, ist, sich in neue Bereiche einzuarbeiten. Einfach weil ich fünf Jahre gelernt habe, wie man sich innerhalb kurzer Zeit viel Wissen aneignet.
Seong-Min: Hast du noch Kontakt zu deinen ehemaligen KommilitonInnen?
Natalie: Ja, ich habe noch Kontakt zu ein paar Kommilitonen. Aus unterschiedlichen Lebensphasen gibt es ja immer ein paar wertvolle Kontakte, die bleiben und die ich auch pflege. Auch nach Auslandsaufenthalten kommt man immer wieder hier in München zusammen und das ist jedes Mal schön.
Seong-Min: Haben deine KommilitonInnen ähnliche Wege wie du eingeschlagen?
Natalie: Super unterschiedlich! Ein Kommilitone hat sein eigenes Business seit ein paar Jahren, eine Kommilitonin hat promoviert, die dritte ist im Projektmanagement und der vierte in der Beratung. Also ist es, zumindest bei meinen direkten Kontakten, sehr verschieden. Auch sind viele von der TUM bei Celonis gelandet, wenn auch nicht von meinen direkten Kontakten.
Seong-Min: Welche Erfahrungen verknüpfst du mit deiner Zeit an der TUMJA und was hast du daraus für deinen Beruf mitgenommen?
Natalie: Die Zeit an der TUMJA war super spannend - ich habe schon immer gerne in Gruppen zusammengearbeitet und die TUMJA bietet dazu die besondere Gelegenheit, interdisziplinär an aktuellen Problemstellungen zu arbeiten. Beides sind Fähigkeiten, die absolut grundlegend für eine berufliche Tätigkeit in der Wirtschaft sind und genau das habe ich mitgenommen.
Aastha: Was wünschst du der TUMJA? Was sind die wichtigsten Dinge, die in der Zukunft passieren sollten?
Natalie: Ich wünsche der TUMJA weiterhin viele engagierte StudentInnen und MitarbeiterInnen - das Stipendium lebt von der Vielfalt und dem Engagement. Auch mehr Kooperationen mit der Wirtschaft könnten spannend sein, um Stipendiaten die volle Bandbreite an Erfahrungen zu eröffnen.
Aastha: Hast du abschließend einen Ratschlag oder eine Weisheit, die du unseren StipendiatInnen mitgeben möchtest?
Natalie: Es gibt eine Sache, die ich ein kleines bisschen bereue beziehungsweise ändern würde, wenn ich könnte. Ich würde die Studienzeit mehr nutzen, um auf Reisen zu gehen und neue Sachen auszuprobieren, weil es später viel schwieriger ist, längere Zeit weg zu sein. Ich habe alles sehr ernst genommen und viel an die Zukunft gedacht - wie ich alles und alles am besten machen kann - was mir natürlich geholfen hat, gut in eine Karriere zu starten. Aber letzten Endes interessiert es eher niemanden, ob man eine Dezimalstelle nach dem Komma besser oder schlechter ist. Es kommt vielmehr darauf an, welche Erfahrungen du gemacht hast. Gerade Auslandsreisen, Hobbys usw. sind Dinge, die deinen Charakter formen und die wichtigsten Grundlagen sind. Das wäre mein Haupttipp: Macht was aus eurem Leben und arbeitet nicht zu hart. Das hole ich jetzt nach, aber es ist viel stressiger *lacht*
Aastha: Vielen Dank, Natalie, dass du dir die Zeit für dieses Interview genommen hast.
Seong-Min: Auch von mir vielen Dank, es war sehr interessant mit dir zu sprechen.
Natalie: Sehr gerne. Freut mich. Und vielen Dank, dass auch ihr euch die Zeit genommen habt.